Die Wahrheit bei der kalten Progression
Zur kalten Progression:
Lars Klingbeil wirft der Union vor, „aus rein wahltaktischen Gründen“ konkrete Entlastungen von Familien „zu blockieren“. Er meint damit die Abschaffung der kalten Progression.
Diese Unverfrorenheit ist kaum noch zu steigern. Die SPD möchte nämlich lediglich ihren Entwurf des „Steuerfortentwicklungsgesetzes“ durchbringen. Darin ist in der Tat eine Entlastung u. a. durch Anpassung der Eckwerte des Einkommensteuertarifs für die Veranlagungszeiträume 2025 und 2026 vorgesehen. Dem würde die Union sofort zustimmen können. Enthalten sind aber auch eine Abschaffung der Lohnsteuerklassen III und V durch Überführung in das Faktorverfahren, die Einführung einer Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen und einige weitere Projekte, die im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart waren und mit deren Umsetzung die Ampel gescheitert war. Warum sollten wir solchen Ampelprojekten zuzustimmen.
Denn: Das Steuerfortentwicklungsgesetz ist – wie leider üblich bei der Ampelkoalition – technisch außerordentlich schlecht gemacht. Insbesondere sind die Auswirkungen des Gesetzes auf andere Rechtsgebiete (wie z.B. das Sozialrecht) nicht mitgedacht worden. Vor allem hat die Ampel bei der Abschaffung der Lohnsteuerklassen III und V die Auswirkungen auf Lohnersatzleistungen nicht bedacht. Der Wegfall der Wahlmöglichkeit führt zu einer Schlechterstellung von Familien in der ausgesprochen sensiblen Phase der Familienplanung. Bei der Ermittlung des Elterngeldes können dadurch erhebliche finanzielle Nachteile bei Familien entstehen.
Auch bei der Einführung einer Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen scheint die Ampel Maß und Mitte verloren zu haben. Laut übereinstimmenden Aussagen der Sachverständigen stehe der bürokratische Aufwand der Anzeigepflichten in keinem Verhältnis zum Nutzen. Es sei höchst widersprüchlich, dass die Bundesregierung Anfang Juli zwar erneut eine Wachstumsinitiative verbunden mit dem Versprechen des Bürokratieabbaus angestoßen habe – sie dieses Versprechen aber gleichzeitig torpediere, in dem sie es abermals mit dem Bürokratiemonster Anzeigepflicht garniere.
Wenn Klingbeil und seine SPD es mit der Entlastung von Familien ernst meinen würden, dann könnten sie einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der kalten Progression einbringen. Ich bin sicher, dass die Unionsfraktion dem zustimmen würde. Das tut sie aber gerade nicht. – und zwar „aus rein wahltaktischen Gründen“ (O-Ton Klingbeil), um die Union wieder scharf kritisieren zu können.